Bei den Stichworten Thüringen und Wandern denken die meisten wahrscheinlich direkt an den Rennsteig. Der bekannteste Weitwanderweg Deutschlands. Sehr beliebt, vielleicht zu beliebt, bei gutem Wetter ist der Rennsteig voll Menschen.
Daher empfehle ich euch, doch mal in einer anderen Ecke von Thüringen zu wandern, in Meiningen auf dem Meininger. Meiningen ist sehr gut mit der Süd-Thüringen-Bahn vom ICE-Bahnhof Eisenach zu erreichen. Unmittelbar am Bahnhof von Meiningen gehen wir im Goethepark an der Werra entlang. Goethe, das passt. Erstens war der Geheimrat Wanderer, zweitens war Goethe Theatermann. Und Meiningen ist Theaterstadt, wir gehen am (für eine Kleinstadt ungewöhnlich großen) Theater vorbei. Meiningen war – kein Scherz – zwischen 1874 bis 1890 die berühmteste Theaterstadt Europas. Allerdings sind nicht alle Theaterinteressierten des Kontinents mit der Süd-Thüringen-Bahn in die Werra-Stadt gereist. Vielmehr zog die Schauspieltruppe von Meiningen als Tournee-Theater durch deutsche Metropolen – von Hamburg bis München, von Metz bis Königsberg. Im Ausland gastierten die Meininger unter anderem in London, Budapest und Moskau. In Meiningen waren die Meininger selten.
Einen Kilometer nach dem Bahnhof erreichen wir die Bogenbrücke am Schloss Elisabethenburg. Das Schloss wirkt majestätisch, aber das werden wir – als Epilog sozusagen – erst am Ende unserer Wanderung besichtigen. An der Bogenbrücke startet unser Wanderweg, der Meininger. Ein vom Deutschen Wanderinstitut zertifizierter Premiumweg, 10,4 Kilometer lang. Ein rotes, geschwungenes „M“ führt uns durch die Landschaft rund um Meiningen. Erster Höhepunkt (im wahrsten Sinne des Wortes) ist der Aussichtspunkt am Diezhäuschen, der Balkon von Meiningen.
Am Theater hat der Dramaturg eine wichtige Aufgabe. Er sucht die Stücke aus, die gespielt werden und kürzt langweilige Stellen. Auch der Dramaturg des Wanderwegs „Der Meininger“ hat ganze Arbeit geleistet. Waldwege, Feldwege, Aussichten, und als geologischer Leckerbissen die größte Abriss-Spalten-Höhle Deutschlands, die Götz-Höhle. Da wir in Thüringen sind, heißt die Einkehrmöglichkeit an der Höhle nicht Gaststätte oder Gasthaus, sondern Baude. Zeit für eine Stärkung!
Zurück an der Bogenbrücke über die Werra solltet ihr euch unbedingt Schloss Elisabethenburg anschauen. Im Schloss ist das Museum über die Theatergeschichte Meiningens untergebracht, unter anderem sehen wir alte Bühnenbilder. Und siehe da, schon stehen wir wieder unter Bäumen, in der Natur, so wie es das Theater des 19. Jahrhunderts sah. Das Leben ist eine (Natur-)Bühne. Mal geht es abwärts, aber immer wieder geht es BÄRGAUF!