Letztes Jahr im August habe ich die Watzmann-Ostwand durchstiegen. Meinen Report kann man im neuen GEO-Special lesen. Aber wie und wo habe ich mich auf dieses Abenteuer vorbereitet? In Saarbrücken, in der Kletterhalle an der Mainzer Straße mit Andreas.
Kletterhalle, die Erste. Ich stehe mit Andreas und zwei Teenies in der Kletterhalle Saarbrücken. Ein Sonntag Mitte Juli, ein regulärer Kletterhalleneinführungskurs. Andreas arbeitet als Heimerzieher und ist ausgewiesener Kenner der Kletterpädagogik. Das merkt man schnell. Die Sicherungsschlinge für den Kletterer wird nach der Regel “Fritz läuft einmal um den Baum herum und springt dann von hinten in den See” gebunden. Die Knoten, die wir üben, sind Old School. Die Doppel-Achter zum Sichern des Kletterers hat schon der alte Luis Trenker gebunden. Andreas sagt: “Der war eigentlich kein guter Kletterer, aber ein gnadenlos guter Selbstvermarkter”.
Andreas war beim Bund, Fallschirmspringer, er hat überlebt. Das heißt, er hat immer viel Wert auf Sicherheit und Materialprüfung gelegt. In der Kletterhalle Saarbrücken, in der früher Karnevalsveranstaltungen stattfanden, ist seit der Eröffnung vor zwei Jahren noch kein Unfall passiert. Andreas stellt direkt klar: Bergsteigen ist nicht Klettern. Der Bergsteiger will auf den Gipfel, egal wie, egal mit welchen Hilfsmitteln, möglichst schnell. Den Kletterer interessiert der Gipfel nicht. Nur die nächste schwierige Wand reizt ihn. Der Kletterer würde am liebsten immer mit dem Auto direkt vor der Felswand parken. Geht das nicht, muss er gar zwei, drei Kilometer zum Felsen seiner Träume gehen, schimpft der Kletterer, man sei doch keiner von den “Wanderschweinen”. Die Kletterer sagen wirklich zu Leuten wie mir “Wanderschweine”! Diese Klettersäue! Dann geht es nach einer Stunde Theorie endlich los. Ich bekomme in Sekundenschnelle heftige Schweißausbrüche, die nicht von der Anstrengung kommen können. Kann das zierliche Mädchen unten am Seil mich überhaupt halten? Ich werde hektisch. Schürfe mir das Knie ab. Ich erinnere mich, dass man möglichst nicht mit kurzen Hosen klettern sollte, vor allem nicht als Anfänger.
Zweiter Kletterversuch. Ich merke schon bald, wie die Unterarme “zu machen”. Andreas hatte mich gewarnt, Kraft in den Unterarmen müsse ich mir antrainieren. Es kämen Body-Builder zu ihm in die Kletterhalle, die hätten tausend Volt im Oberarm, aber nichts in den Unterarmen. Pah, ich schleppe seit sieben Monaten den halben Tag ein Baby auf den Armen herum, das wird ja wohl reichen. Falsch, Babytragen bringt es nicht. Und ich weiß, warum alle wollten, dass ich ordentlich in der Kletterhalle übe. Wenn mir das nach 1.700 Höhenmetern am Watzmann passiert, dass meine Unterarme ihren Dienst versagen, dann habe ich ein Problem. Die muss ich noch ordentlich trainieren, die Unterarmmuskeln. Die haben natürlich auch mein Schlachtgewicht von 93 Kilogramm zu tragen. Abnehmen wäre auch eine Option. Aber richtiger Gewichtsverlust geht nur mit brachialem Fasten, dann bin ich am Watzmann womöglich noch geschwächt. Fasten-Option ist gestrichen.
Dritte Kletterwand. Bisher bin ich Smarties geklettert, so heißt das, wenn die Anfänger jede Möglichkeit mit Händen und Füssen ergreifen, hoch zu kommen. Eigentlich sollte man nur die grünen, oder die roten oder die grauen Knubbel benutzen, um nach oben zu kommen. Bei diesem dritten Mal nehme ich mir vor, AUSSCHLIESSLICH die blauen Knubbel zu nehmen.
Das ist der einfachste Weg überhaupt, Schwierigkeitsgrad 3+ (es geht bis Schwierigkeitsgrad 10). Der Aufstieg hat den Namen “Schlumpfine”. Ich scheitere jämmerlich, stürze ab, muss doch wieder auf andersfarbige Knubbel zurückgreifen. Ist das peinlich. Der Schlumpfine-Aufstieg war zu schwer für mich!
… übermorgen geht es weiter…