Gelassenheit ist ein schönes Wort, wenn ich es ausspreche, werde ich schon gelassener. Gelassenheit kann vieles bedeuten: Besonnenheit, Umsicht, Seelenruhe. Im Netz habe ich einen sehr schönen Aphorismus des Österreichers Ernst Ferstl gefunden. „Der beste Aussichtsturm des Lebens ist Gelassenheit“. Ich finde, das Wandern ist die hohe Schule der Gelassenheit. Schon das Tempo des Wanderers ist mäßig, ruhig, gelassen, um nicht zu sagen: lässig.
Nicht zu vergleichen mit der Geschwindigkeit einer Autofahrt, einer Zugreise, oder gar eines Fluges. Aber der Wanderer (und die Wandererin natürlich auch) sind darüber hinaus wesentlich entschleunigter als Fahrradfahrer oder Jogger. Die Geschwindigkeit des Wanderers ist nicht abhängig von Hilfsmitteln, sie ist sozusagen menschlich.
Ich empfinde beim Wandern ein starkes, körperliches Wohlbefinden. Eine ruhige Kraft, die den ganzen Körper durchströmt, der Wanderer wird zu Körper gewordenen Gelassenheit. Woher kommt das? Wahrscheinlich dadurch, dass Draußensein entspannter ist als Drinnensein, Land entspannter als Stadt, Natur entspannter als Zivilisation. Das überträgt sich. Nehmen wir zum Beispiel einen weiten Ausblick über die Landschaft. Dieser Blick hat etwas Meditatives, man bekommt wie eine Antizivilisations-Arznei eine Portion Gelassenheit verpasst.
Ich behaupte, dass Wanderer generell wesentlich gelassener sind, als andere Zeitgenossen. Zumindest, muss man einschränken, während sie wandern. Nehmen wir als Gegenbeispiel das Automobil: Es gibt wohl keinen Ort (außer dem Fußballstadion), an dem so hemmungslos geschimpft, geflucht, bedroht wird. Das Auto ist der Inbegriff der Anti-Gelassenheit. Daher sollte man auch nach Möglichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Wanderausflug hin – und auch wieder zurück fahren. Nicht, dass sich die Wandergelassenheit blitzschnell in die Anti-Gelassenheit im Innenraum des Autos verwandelt.
Die Gelassenheit ermöglicht uns, den Widrigkeiten des Wanderlebens zu trotzen. Sollten wir uns verlaufen, ist das kein Problem, wir nehmen es auf die leichte Schulter und sagen uns: Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Wir geraten in einen Regenschauer? Kein Problem, der gelassene Wanderer kennt verschiedene Lösungs-Optionen.
Wir können in Ruhe abwarten und uns unterstellen, bis der Feuchtigkeitspegel wieder gesunken ist. Oder aber wir wandern einfach stoisch weiter, wir durchschreiten mit größtmöglicher Gelassenheit den Regenschauer, wozu hat man denn die Outdoorklamotten.
Nicht zu unterschätzen ist es, in gelassener Stimmung mit den Mitwanderern, der Familie, den Freunden, dem Wanderverein sich zu unterhalten. Unsere Wandergelassenheit ermöglicht perlende, emotionale, einfach wunderbare Gespräche.
Die entspannte Wanderstimmung lädt uns dazu ein, uns auf eine Wiese und auf den Waldboden zu legen. Oder – falls das zu nass/dreckig/matschig ist – sich einfach auf eine Bank zu setzen. Denn auch die modernen Wanderliegen sind unendlich bequem, wir strecken uns aus, lassen Beine und Seele baumeln, auf diesen Gelassenheitsmöbeln. Denn darum geht es auch beim Wandern: Mal alle Fünfe gerade sein lassen. Da fällt mir ein – fünf, das ist doch exakt die (durchschnittliche) Anzahl von Zehen, die in einen guten Wanderschuh passen. Ihr wisst schon, welchen Wanderschuh ich meine, den mit der hunderprozentige Zehenfreiheit …
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7 Comments
Na zu dem Thema passt ja hervorragend, dass wir auf der gestrigen 7km-200hm-Kennenlern-Runde in Bad Wildungen satte 4h30 unterwegs waren! Die erste Wanderung in Hessen überhaupt(!) wollte natürlich voll ausgekostet sein (Aussicht-vom-Schloss-Genießen, Spargelessen in der Altstadt,..). Lustig: kaum hatte ich den Gelassenheit-Beitrag gelesen, entdeckte ich in der Ferienwohnung das Büchlein „Vom Zauber der Gelassenheit“ im Schrank stehen..
Im Prinzip kann ich jeden Satz unterstreichen und bestätigen. Wenn ich aber daran denke, wie ich mich in einem sausteilen Bergwald in Südtirol verstiegen habe… wie ich mich bei Castrop-Rauxel im schönsten Sonnenschein umgedreht und eine rabenschwarze Gewitterwand erblickt habe… wie ich mich am Niederrhein mehrfach verlaufen hatte und im Wald die Abenddämmerung begann… wie ich mit dem Stoaner am Spätnachmittag Kalkriese erreichte, um festzustellen, dass kein Bus mehr zurück nach Osnabrück fährt… nix Gelassenheit – nackte Panik!
Abgesehen von panischen Momenten gibt es auch andere Situationen, in denen die entspannte Gelassenheit einer energischen Tempo-Verschärfung weicht: wenn gegen Ende einer Tour das Belohnungsbier lockt. Mir sind z.B. Wanderblogger und Chef-Kommentatoren bekannt, die…
Liebe Schwestern und Brüder im Geiste des Wander-Zens: Die Gelassenheit auf Wanderwegen ist selbstverständlich nicht immer selbstverständlich. Ich danke Dir, Bruder Markezero, für die Anregungen – demnächst werde ich einen Bärblog zum Thema „Die Panik“ schreiben
Sehr gut! Es geht hier schließlich nicht um Schönfärberei, sondern um letztgültige Wander-Wahrheiten, welche dialektisch durchdrungen sein wollen, mit nachgerade jesuitischer Spitzfindigkeit und unter gleichzeitiger Bewahrung des Geheimnisses! Das Ganze jetzt noch lateinisch, dann kann Ratzinger einpacken. De Terrore – ha!
Terrore? Als Weinliebhaber kenne ich Terroir, als Spanien-Urlauber Torrero. Müsste es nicht „De tranquillita“ heißen? Nun gut, mein großes Latinum habe ich schon vor 39 Jahren gemacht …
Latein… lassen wir das… das große Latinum habe ich (letzter Jahrgang, soweit ich weiß) mit einer regulären 5 im bayerischen Zwischenzeugnis noch mit einer 4 im Endzeugnis ergaunert.