Im Beethoven-Jahr höre ich (fast täglich) eine der neun Symphonien des Meisters in der hervorragenden Edition des Süddeutschen Verlags. Erst die Symphonie hören, dann Erkenntnisgewinn mit den Erläuterungen des Dirigenten Peter Stangel. Besonders interessant für Wanderfreunde ist die 6. Symphonie, die sogenannte Pastorale

Nach der Premiere schrieb ein Zeitgenosse: „Da ist einer in Wien, der schreibt Sinfonien, die fünfmal so lang sind wie normale Sinfonien.“ Eine Dreiviertelstunde, das war damals Weltrekord. Der erste Satz trägt den Titel „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“. Poetischer kann man die Glücksgefühle zum Beginn einer Wanderung nicht beschreiben. „Wer genau hinhört, kann hoch droben am Himmel ein Vöglein zwitschern hören“ erklärt Stangel, „und dann ist es so, als öffne sich der Blick über die weiten Hügellandschaften des Wiener Umlands“.
Der zweite Satz der 6. Symphonie heißt „Szene am Bach“ und ist so eine Art Smetana-Moldau in gut. Beethoven komponiert das Kräuseln der Wasseroberfläche, das Gluckern des Bächleins, das Bachbett „und schließlich tritt zu diesem wunderbar murmelnden Bächlein, das heute noch heute vor den Toren Wiens dahinplätschert, das kompositorische Ich hinzu. Der Zuhörer wandert am Bächlein entlang, sitzt unterm Baum und genießt die Stimmung. Dieses kompositorische Ich wird von der Geige verkörpert.“ Ich werde diese Musik nie vergessen, wenn ich als zwar nicht kompositorisches, aber vielleicht literarisches Ich durch die Gegend wandere. „Mehr als die Farbe des Grases hat Beethoven auch hier das Wohlgefühl, das Behagen, das einen in der Natur überkommt, komponiert“. Ich habe es doch immer gesagt, dass Wandern glücklich macht. „Nur ganz am Ende konnte er sich drei Vögelchen nicht verkneifen.“ Man wird doch wohl noch drei Vöglein-Ihr komponieren dürfen.
Der dritte Satz „Lustiges Zusammensein der Landleute“, ein Scherzo, „karikiert eine Dorfkapelle“, und weil wir es ja mit einem scherzenden Musikstück zu tun haben, wird der arme Oboist (Schießen Sie nicht auf den Oboisten!) veräppelt: „Der Oboist hängt immer eine Winzigkeit hinterher, ein köstlicher musikalischer Scherz“, findet Peter Stangel.
Der vierte Satz „Gewitter und Sturm“ beschreibt eine eher missliche Wendung einer Wandertour. Stangel sagt über die Komposition Beethovens: „Das ist nicht irgendein Gewitter, das ist DAS Gewitter“. Der Dirigent vergleicht das musikalische Gewitter mit dem Barbar von Sevilla: „Was hat Rossini da für einen freundlichen Sommerregen komponiert, gegenüber diesem teutonischen Donnergrollen und Blitzezucken“. Und dann bricht der Sturm los. „Spätestens an dieser Stelle müssen die Kollegen gedacht haben, dass der gute Beethoven endgültig durchgeknallt ist.“
Seine Wanderleidenschaft hat Beethoven vor allem in der Gegend um Wien praktiziert, dort „spielt“ ja auch die 6. Symphonie. Auf seinen „Spaziergängen“ hat er ganz im Sinne Rousseaus seine innere Welt erkundet. Er hat sozusagen in sich hineingehorcht, hinaushorchen in die äußere Welt ist dem armen Mann ja zunehmend schwerer gefallen. Ich vermute sogar, dass Beethoven auf seinen Wanderungen die entscheidenden Ideen für seine Werke, vor allem die Symphonien gehabt hat.

Leider hat Beethoven zu früh die Bonner Heimat verlassen, um auf dem Beethoven-Wanderweg im Siebengebirge zu wandern. Beziehungswiese zu spazieren. Nun gut, das Einkehrhaus, das Milchhäuschen, das Hotel auf dem Petersberg, alle diese Immobilien waren zu Beethovens Zeit noch nicht erbaut. Kloster Heisterbach war Ende des 18. Jahrhunderts noch eine funktionierende Abtei und keine Ruine. Und der Drachenfels war noch nicht überfüllte Ausflugsstätte, sondern ein ganz profaner Steinbruch. Selbstverständlich gab es auch noch keine Drachenfelsbahn.

Der Beethovenweg ist zum Jubiläumsjahr markiert worden und verbindet (fast) alle Highlights des Siebengebirges. Fünfzehn Kilometer (viele davon auf dem Rheinsteig) sind aber ein ganz schönes Brett, vor allem weil doch einige Höhenmeter zu absolvieren sind. Aber die Möglichkeiten einzukehren sind wirklich gigantisch. Lustiges Zusammensein auf dem Lande. Hätte Ludwig van das noch erleben können, wäre er nie vom Rhein zur Donau gewechselt. Was sich allerdings die Initiatoren des BHVN-Wanderwegs mit dieser Markierung gedacht haben, bleibt schleierhaft.

Zumindest kulinarisch ist Beethoven auch in Wien seiner alten Heimat treu geblieben. Er war sozusagen ein virtueller Weinwanderer, dem Wein von Rhein und Mosel verfallen. „Mehr Licht!“, das waren Goethes letzte Worte. Ziemlich einfallslos, wie ich finde. Die letzten Worte Beethovens zeugen dagegen von der Größe des Meisters. Drei Tage vor seinem Tod erhielt er von seinem Musik-Verleger Schott eine Lieferung leckerer Rhein- und Moselweine. Beethoven sagte im Sterbebett: „Schade, schade, zu spät“
Dadada – Daaa!