Die Süddeutsche Zeitung schreibt in ihrer Wochenend-Ausgabe: „Dass man jahrelang diese literarischen Deutschlandwanderer und Fontane-, Heine-, und Montaigne-Imitatoren, Bücherschreiber von A wie Andrack bis U wie Uslar , für schreckliche Spießer hielt – geschenkt. Spätestens in Corona-Zeiten merkt jeder: Deutschland, das ist der ‚Gipfel der Schönheit’ (Mark Twain)“. Erster Gedanke, als ich das las.: Wie konnte man denn jemals Deutschlandwandern spießig finden? Das ist ja sowas von spießig, Deutschlandwandern spießig zu finden. Na ja – geschenkt.
Zweiter Gedanke: Angesichts der Corona-Krise und einer (erzwungenen) Konzentration auf das Naheliegende, das Heimatliche, das Regionale in einer Reihe mit Heine, Fontane und Montaigne (dessen Essays über das Deutschlandwandern hatte ich anscheinend bislang übersehen) genannt zu werden, ist ja nicht sooo übel. Aber der Autor des Textes hat ja recht, wenn wir mittelfristig und langfristig an Urlaub denken werden, fallen Destinationen wie Italien, Spanien oder Frankreich leider aus. Das ist extrem bitter, habe ich doch selbst meine letzten Sommerurlaube auf Ischia verbracht.
Daher gibt es nur eine Alternative: Urlaub in Deutschland! Und damit jetzt nicht alle an die Küsten von Nord- und Ostsee stürmen, ist die gute Nachricht: Es gibt jede Menge andere Regionen in Deutschland, die Spaß machen. Sucht Euer Glück im Hunsrück! Auch in der Rhön ist es schön! Im Zweifel die Eifel! Im Moment scheint ein (kurzer oder langer) Urlaub in den deutschen Mittelgebirgen noch Zukunftsmusik zu sein – touristische sind Übernachtungen verboten, gastronomische Betriebe sind geschlossen. Aber ich bin überzeugt: es wird Lockerungen geben. Warum sollten Paare nicht ein Zimmer in einer Pension buchen, wenn im Frühstücksraum Abstand gewahrt wird? Warum darf keine Außengastronomie betrieben werden, wenn die Tische über zwei Meter entfernt sind? Warum kann ich als Familie keine Ferienwohung buchen? – der Kontakt zum Vermieter kann virtuell bleiben und der Schlüssel liegt sowieso meistens unter der Fussmatte. Thüringen ist sogar beim Thema Kollektiv-Wandern schon voran gegangen: Versammlungen ab 50 Menschen unter freiem Himmel sind ab dem 3. Mai erlaubt, da steckt wahrscheinlich der Rennsteigverein dahinter!
Darum geht es beim Wandern: Um lustvolle Bewegung an der frischen Luft, die wahrscheinlich bald als Corona-Prävention offiziell von J. Spahn anerkannt werden wird. Vielleicht könnte man erst einmal (ein Hoch auf das föderale System!) Urlaub im eigenen Bundesland erlauben. Die Bayern, Schwaben und Rheinländer hätten eine große Auswahl, die Saarländer auch. Die Bremer und Hamburger, na ja. Auf jeden Fall gilt weiterhin: Wer den Kopf in den Sand steckt, sieht nicht die schöne Landschaft!
Und wer nur durchs Fernglas schaut und dabei Corona trinkt, hat wahrscheinlich auch nicht den kompletten Durchblick.
6 Comments
Bezüglich „Hamburg, naja“: Da wird Hintermstoaner nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern Dir den Deinigen gehörig waschen (und eine Tapete mit lohnenden Zielen posten), schätze ich mal.
Ja, auf meiner derzeitigen Wanderinsel in Hamburg ist auch ohne ÖPNV durchaus einiges möglich! Von den Gestaden des „Ohlsdorfer Friedhof“ bis zu den Gestüten der „Horner Trabrennbahn“, vom Kap der Unschuld („Innocentia-Park“) bis hin zum Leuchtturm „Wetterpilz im Eichtalpark“! Aber stimmt schon: die Lust auf stundenlang einsamer Bergpfad beginnt exponentiell zu steigen.. muss mal schauen, wo ich noch etwas Sand aufschütten kann, um wieder weiter raus zu kommen..
Nun gut, einige attraktive Wanderdestinationen scheint es in HH zu geben. Aber schon hart, dass die schleswig-holsteinische Polizei Hamburger Fußgänger und Radfahrer nicht in ihr Land hineinlässt. Wann wird der antihanseatische Schutzwall gebaut? Am 13. August 2020?
So viel ich weiß, wurden die Legionäre Schlesvigus und Holtsnus aus den Wäldern zwischen Buckhorn und Bredenbeker Teich wieder abgezogen. Freie Bahn.
Grauslich, zynisch, ekelhaft…https://youtu.be/UO1ZOOD11gQ
„Warum kann ich als Familie keine Ferienwohung buchen? – der Kontakt zum Vermieter kann virtuell bleiben und der Schlüssel liegt sowieso meistens unter der Fussmatte.“
Was ebenso für das bereits Anfang des Jahres von mir gebuchte Ferienhaus an der niederländischen Küste gilt – ich habe die Hoffnung noch nicht völlig aufgegeben…