Wir gingen zum sogenannten Dichterhain. Die Portraits vieler regionaler Wortakrobaten sind dort im Buntsandstein verewigt, eine Art pfälzisches Mount Rushmore. Das Beste am Dichterhain war allerdings der Wein vom Weingut „Altes Schlößchen“ in St. Martin.
Mit dem Unimog war der Winzer auf den Waldweg gefahren, ich befürchte fast, dass er nicht jedes Wochenende am Dichterhain mitten im Wald steht. Eigentlich schade. Denn es hatte den Anschein, als ob die Wandergruppe sich festgetrunken hätte. Alle acht Probierflaschen wurden geleert, aber der Stoff war auch wirklich vorzüglich.
Christian Hormuth präsentierte am Dichterhain eine gelungene Helmut-Kohl-Parodie. Der ehemalige Bundeskanzler aus der Pfalz war ja bekennender Weintrinker und so musste er öfter mal seine Frau Hannelore bitten, bei der Rückfahrt am Steuer zu sitzen – die Pointe der Geschichte verrate ich aber an dieser Stelle nicht …
Wir wanderten weiter und wurden durch die rot-weiße Markierung des Pfälzer Weinsteigs begleitet. Der Pfälzer Weinsteig führt von Schweigen-Rechtenbach an der französischen Grenze bis nach Bockenheim an der Weinstraße. 172 Kilometer Wandergenuss, der Pfälzer Weinsteig ist ein Qualitätsweg. Wir liefen durch typisch pfälzische Kiefernwälder. Christian ging neben mir und erweiterte meinen pfälzisch-deutschen Wortschatz, ich notierte alles fleißig in mein Vokabelheft. Wir gingen bergab an einem Bachlauf entlang und dabei tatsächlich – wie in dem berühmten Lied von Karat (später gecovert von Peter Maffay) – über sieben Brücken.
Am Bellachini-Brunnen erwartete uns die vierte Station mit exzellenten Weinen. Bellachini, so erzählte es Christian Hormuth sehr lebendig, war ein international bekannter Zauberer, ein gebürtiger St.Martiner, der angeblich den Trick der schwebenden Jungfrau erfunden hat.
Für die Verzauberung der Weinwanderer sorgte Weinprinzessin Daniela vom Weingut Alfons Hormuth mit einem Grauburgunder. Bisher unbekannt, dass eine Levitation, ein tatsächlicher Schwebezustand also, auch von pfälzischem Wein hervorgerufen werden kann. Ganz ohne Bellachini und ohne Jungfrau. Auf dem sogenannten Kuckucksweg wanderten wir hinunter Richtung Ort, bogen aber, bevor wir das Zentrum erreichten, noch einmal in die Weinberge ab.
An der sogenannten Haardtmadonna, einer farbenprächtigen Mutter-Gottes-Skulptur, erwartete uns das Weingut Alfons Ziegler. Wir probierten einen Rosé, passend zur rötlichen Färbung durften wir köstliche frische Erdbeeren verzehren.
Unsere Blicke schweiften durch die Weinberge und immer wieder über die hügelige Landschaft zwischen Pfälzer Wald und Vater Rhein. Es existieren übrigens verschiedene Legenden, warum St.Martin St.Martin heißt. Gesichert ist, dass weder der Bettler noch der heilige Mann Pfälzer waren. Am wahrscheinlichsten ist, so hat es mir Christian erzählt, dass fränkische Siedler ihren Lieblingsheiligen in die Pfalz importierten und einen ganzen Ort nach dem Helden des 11. November benannten.
An der letzten Station unserer Wandertour standen wir an einer Weinkelter am Weinlehrpfad. Ausschenkende Winzerei ist das Herrengut St. Martin. Wir tranken einen göttlichen Merlot, der gehört in Zukunft in meinen Weinkeller. Durch die pittoresken Gassen von St. Martin wanderten wir zurück bis zur Alten Kellerei.
Die abschließende Lesung war eine ziemliche Herausforderung. Dass im Publikum getuschelt wurde, ist verständlich, man musste sich ja ausgiebig über die sechs verkosteten Weine austauschen, das konnte ich verstehen. Und meine Artikulation passte sich problemlos dem sanften Pfälzer Dialekt an, etwas vernuschelt und verstolpert, aber noch ganz okay. Als es darum ging, ein Fazit des Tages zu ziehen, waren sich alle einig: Das war eine perfekte Weinwanderung, herausragend von Christian Hormuth organisiert, geniale Weine plus die großartige Landschaft rund um St. Martin. Meistens ist es eben doch schöner, in einer Gruppe zu wandern.
2 Comments
Das mit den fränkischen Siedlern glaube ich nicht. Wäre es so gewesen, würde der Ort nämlich Pelzmärtel heißen!
Wahrscheinlich waren es nicht fränkische Siedler, sondern fränkische Seidler, die importiert wurden. Bei immer nur Wein bekommt der Mensch halt dann doch irgendwann a mal Lust auf „einfach nur a Bier“.