Kann man überhaupt noch in den Wald gehen? Als Wanderer gehört zur Glücksgrundausstattung, sich im Wald und der Natur wohl zu fühlen, Kraft und Glück aus dem Aufenthalt und der Bewegung im Wald zu schöpfen. Aber was ist, wenn man im Wald auf Leute trifft, die man dort gar nicht sehen, geschweige denn treffen will? Nein, ich rede nicht von großen Wandervereinen, sondern zum Beispiel von Charlotte Roche.
Die Ex-VIVA-Zwo-Moderatorin empfiehlt seit diesem Jahr: „Verlasst die Städte!“, also ab in die feuchten Waldgebiete. Ich hatte den Aufruf gar nicht mitbekommen, las davon in der vorletzten FAS. Ein Grund, warum Städte laut Charlotte nicht so richtig supi sind: „Wie oft kommen wir aus der Wohnung raus und es wurde auf unsere Motorhaube gekotzt?“ Tja, wie oft eigentlich? Seit 53 Jahren lebe ich in Groß- und Kleinstädten, und noch nie wurde mir auf die Motorhaube gekotzt. Gut, das kann natürlich auch daran liegen, dass ich bis vor sieben Jahren kein Auto hatte. Aber dennoch könnten vollgekotzte Motorhauben auch etwas mit dem Auto zu tun haben, das an der Motorhaube dran hängt und dass dieses Auto möglciherweise in einer Kneipengänger-In-Viertel-Straße etwas deplatziert ist. Aber auch wegen der Motorhauben-Geschichte ist Good Charlotte aufs Land gezogen, dort lebt sie im Hier und Jetzt und Glücklichsein. Weil, so Charlotte: „Im Wald triffst du keine anderen Menschen, die dir voll auf den Sack gehen.“
Prinzipiell stimme ich dieser Aussage zu. Allerdings – könnte ja sein, dass man Charlotte Roche demnächst über den Weg wandert.
Charlotte ist ja wirklich eine sehr nette Frau, aber auch richtig schlimme Menschen lieben den Wald. Reaktionäre, identitäre, rechtsradikale Menschen. Die Schriftstellerin Madame Nielsen hat – wie es die FAS vom 11.11. berichtet hat – für ein Buchprojekt „Mit Rechten Geredet“, mit AFD-Leuten und Identitären. Und was muss man dort für ein Geschurbel lesen? Marc Jongen „philosophiert“, Zitat: „Das Deutsche ist konservativ, freiheitlich und patriotisch. Nachdenken, Ernsthaftgkeit, Tiefsinn … und ja: der Wald, der Deutsche liebt ja den Wald, ob alleine oder mit Familie im Wald zu wandern, in gehobener Stimmung“. Zum Thema „das Deutsche“ fällt also dem „Chef-Denker“ der AFD nichts anderes ein als Wald und Wandern? Da muss ich echt kotzen.
Egal ob die nicht-rechstradikale Charlotte oder die rechtsradikalen Wald-Spinner, sie haben eines nicht kapiert. Um im Wald glücklich zu sein, muss man weder im Wald wohnen, noch ihn glorifizieren, noch aufs Land ziehen. Macht es wie Wanderer aller Zeiten, von Goethe über die Naturfreunde bis zu den Outdoor-Junkies heutzutage: Wandert, genießt den Wald, und fahrt dann wieder zurück in die Städte und freut Euch des Lebens. Für alle diejenigen, die den Wald glorifizieren und mystisch überladen gilt: Verlasst die Wälder!
8 Comments
Bzgl. Waldglorifizierung und – mystifizierung:
Wölfe, Wildschweinrotten, Zecken, Fuchsbandwürmer, die einem ständig auf die Heidelbeeren kotzen.. herrje, warum geh ICH eigentlich noch so gerne in den Wald..
Ein Bekannter von mir ist Waldarbeiter, würde über die Mystifizierung herzlich lachen und erzählen, wieviel Ster Hplz er letzthin rausgeholt hat und dabei fast einen Motorsägen-Unfall gehabt hätte, weil es nass und rutschig war…
Wo hat der Waldphilosoph Andrack eigentlich die beiden erhabenen Wald-Fotos her mit all ihren tausend Jahr alten mächtigen Buchen und Eichen darauf? Sehr eindrucksvoll!
Wald-Romantik: https://youtu.be/Q3G0ENZ9EaQ
Und noch mehr Romantik, diesmal aus dem idyllischen Waldviertel: https://www.youtube.com/watch?v=fugXD_cL7Ck
Nach 25 Sekunden nimmt die Pfadigkeit zu.
“I muss eh haam, as Pokalspüh vo St. Pölten gläh live im ORF“…
Und bitte um Gottes Willen keine Mountainbiker in die Fahrliinie hinein…https://youtu.be/cDRkHXMHqFo
Mir hat in 30 Jahren Wahlheimat Berlin auch noch nie jemand auf die Kühlerhaube gekotzt. Den Wald – hier mit wandern zu übersetzen – liebe ich dennoch. Mit Hipster und noch lieber ohne.