Zunächst einmal: Sorry! Sorry, weil ich erst jetzt die geniale Ausstellung „Wanderlust“ in der Alten Nationalgalerie gesehen habe, die seit Mai läuft und am 16. September ihre Pforten schließt. Nun ja, ein paar Tage habt ihr ja noch, nach Berlin zu pilgern oder zu trampen, es lohnt sich wirklich.
Auch die Bilder der eher unbekannten Künstler überzeugen, weil sie Geschichten von der Freude am Wandern erzählen. Der Dessauer Hofmaler Heinrich Beck malt 1839, wie ein Wanderer (vermutlich er selbst) den Wanderhut schwenkend (vielleicht sollte ich mir ja auch einen anschaffen) jubilierend das Etschtal erreicht. Das heißt: er hat die Alpen bezwungen, jetzt geht es nur noch bergab – Richtung Italien, dem gelobten Land.
Oder hier: Heinrich Reinhold malte 1819 das Bild „Künstler erkunden die österreichischen Alpen“ Und mit welcher Lebensfreude diese Künstler das tun, sieht man im Bilddetail, sie turnen an ihrem Wanderstock über die Felsen, dass man direkt an Stabhochspringen denkt.
Neben unzähligen supertollen Bildern dann natürlich das Highlight: Der Wanderer über dem Nebelmeer, ausgeliehen aus Hamburg. Interessanterweise hat Caspar David Friedrich sein eigenes Bild anscheinend nie so genannt. Und wenn man das Bild im Original sieht, fällt direkt der dunkel-türkise Samtanzug auf. Ganz schön schick für einen Wanderer! Vielleicht hätte ja Friedrich das Bild eher „Dandy hat sich verirrt“ genannt. Ich habe noch einen Verdacht. In der Ausstellung sind sehr viele Bilder zu sehen, auf denen sich die Künstler malen, wie sie malen, wandern, die Natur beobachten. Denn das war neu im 19. Jahrhundert in der akademischen Malerei: Der Blick öffnet sich, in die Bilder kommt Luft, Weite, Landschaft hinein. Also: Meiner Meinung nach ist der junge Mann, dessen Rücken wir sehen, Caspar David Friedrich selber.
Ich habe mir also so meine Gedanken gemacht und das Bild angeschaut. Und habe einen Mann von hinten angeschaut. Spontan hat mein Kumpel Rolf ein Foto gemacht und jetzt schaut ihr gerade einen Mann an, der einen Mann von hinten anschaut. Und wenn jetzt noch jemand hinter Euch steht, der Euch zusieht, wie ihr einem Mann zuseht, der einen weiteren Mann von hinten anschaut – dann wird es langsam ziemlich psycho… Das Foto schmeichelt mir ehrlich gesagt nicht sehr. Guckt Euch mal meine „Frisur“ an.
Andererseits ist natürlich die Sturmfrisur von C.D. Friedrich auch von einer Wildheit, die mit der Landschaft korrespondiert. Fazit: Fahrt nach Berlin, schaut es Euch an, oder kauft zumindest den hervorragenden Katalog.
2 Comments
Ich Depp! Seit dem Frühjahr hatte ich immer wieder den Gedanken ’spätestens in den Ferien machst a mal an Tagesausflug nach Berlin, schaust Dir des an und rundest das mit einer Berlin-Wanderung sauber ab, zumalst eh noch nie in Berlin wandern warst‘. Und was mach ich? Diesen Klasse-Plan voll vergessen und jetzt hab‘ ich keine Zeit mehr dafür. Mannmannmann..
Und ich Oberdepp war vorletzte Woche sogar in Berlin, hatte aber nach einer Party mit Bühnen- und Kostümbildnern, Theater- und Film-Regisseuren und Komponisten keine Lust, mich an einem Sonntag stundenlang in eine Schlange zu stellen. Nach Unmengen von Ulmer Goldochsen-Bier irgendwie verständlich, oder? Aber den schönen Katalog habe ich ja, den hatte meine Schwester mir zum Geburtstag geschenkt.
Also die Frisur… Man könnte glatt meinen, ein amerikanischer Präsident hielte eine Rede vor der größten Menschenmenge in den Bergen aller Zeiten (man sieht sie leider nicht im Nebel).