In Boppard am Rhein, eine der schönsten Wanderregionen Deutschlands, findet sich eine einzigartige Kombination: Eine legendäre Weinlage im Rheinbogen – die Bopparder Hamm – und ein aufregender Klettersteig. Allerdings hat man auf der Traumschleife des Klettersteigs Mittelrhein die Qual der Wahl: Die Wandervariante für alle Warmduscher oder die Klettervariante für die Harten, die in den Garten wollen.
Allerdings sollte man sich schon vor dem Start der Tour für eine der beiden Varianten entscheiden, denn für die Klettervariante durch die steilen Felsen wird das entsprechende Equipment empfohlen, das man sich an der ARAL-Tankstelle an der Bundesstraße leihen kann. Von dort aus kann man sich auch schon mal den Hang anschauen, durch den man wandern oder klettern wird. Außerirdische haben dort das Mittelrhein-Weltkulturerbe-Zeichen eingefräst.
Diese Hänge sind ehemalige Steillagen. Mittels Flurbereinigungen sollen dort wieder Rebstöcke angelegt werden. Die Weinlage Bopparder Hamm wächst und gedeiht, statt Abbau von Rebflächen werden neue geplant. Die heikelste Situation habe ich am Startpunkt der Klettervariante zu meistern. Ich versuche nämlich in den Klettergurt zu steigen, ohne dabei umzufallen. Das gelingt nur knapp.
Eigentlich, finde ich, ist die Ausrüstung etwas übertrieben, ich bin ja schließlich nicht am Watzmann unterwegs. Gerade bei den Leitern, die man hinunter steigen muss, halte ich es für gefährlicher den Gurt einzuhaken, als ganz normal die Treppe hinunter zu steigen. Denn man muss mitten auf der Leiter stehen bleiben, mit einer Hand sich an der Leiter festhalten, mit der anderen den Karabinerhaken an das nächste Stück Seil hinter der Befestigung klemmen. Furchtbar. Ich stecke die Karabinerhaken in meine Jackentasche, da stören sie nicht.
Ob mit oder ohne Seilsicherung – man sollte den Klettersteig begehen, bevor man dem Weine zuspricht. Und auch eine Weinflasche sollte man nicht im Rucksack transportieren. Erst klettern, dann Wein, Weinklettern ist ungesund. Auf der Höhe angekommen, bietet sich ein gigantischer Blick auf die Rheinschleife und die Bopparder Hamm.
75 ha von 420 ha des Weins des gesamten Anbaugebiet Mittelrhein kommt aus Boppard. Jede sechste Flasche geht von Boppard also in die Welt – und viele Preise kommen nach Boppard zurück. Goldene und silberne Kammpreismünzen zum Beispiel. Einen preisgekrönten Tropfen teste ich im Ausflugslokal „Vierseenblick“, weltberühmt für den genialen Kuchen.
Ich bekomme den Rheinwein in einem Bembel serviert. „Trinkt wie Eure Väter aus Stein den Wein“ steht auf dem Tonkrug. Ich habe bei meinem Vater nachgefragt, der hat noch nie Wein aus einem Stein getrunken, sein Vater übrigens auch nicht. Inzwischen wird übrigens gar nicht mehr geklettert und die Rheintour wird zur Reintour, denn wir gehen schon ins nächste Ausflugslokal, ganze dreihundert Meter hinter dem „Vierseenblick“. Im „Rupertseck“ gibt es weder Bembel noch Flaschenweine, auch keine Weinkarte, es gibt nur einen Wein auf der Karte: White Wine Dry. Auf Nachfrage ist es immerhin ein heimischer Whitewine von der Bopparder Hamm. Nun, wie sagte schon Bacchus: „Guter Wein in Maßen genossen, schadet auch in großen Mengen nicht.“ Hinter dem „Rupertseck“ geht es steil parallel zur Seilbahn den felsigen Berg hinunter, zurück zum Ausgangspunkt im Bopparder Zentrum.
Dort treffe ich mich mit Herrn Bersch und Herrn Schoeneberger im Heilig Grab. Das ist ein Weingut mit Weinstube. Der Winzer vom Heilig Grab betont, er sei nicht der Herr Grab, Vorname Heilig. „Allerdings denkt das der Paketdienst, ich heiße aber Schoeneberger“. Das Heilig Grab ist die älteste Weinstube Boppards, direkt am Bahnhof.
Walter Bersch ist seit 1997 Bürgermeister der Stadt Boppard, er ist eine Legende am Mittelrhein. Bersch ist sehr stolz auf seine sieben Bopparder Traumschleifen, die ich auf diesem Blog ausführlich gewürdigt habe. Da ich mich also um die Bopparder Wanderkultur verdient gemacht habe, wurde ich 2017 zum Ehrenwinzer der Stadt Boppard ernannt. Michael Schneider ist mein Patenwinzer, der mir lebenslang, also noch über 50 Jahre, jedes Jahr drei Flaschen Wein schicken darf. Die Auszeichnung als Bopparder Ehrenwinzer gibt es seit ungefähr vierzig Jahren. Der erste war der damalige Ministerpräsident Bernhard Vogel. Auch Günter Verheugen, Rudi Altig, Rudolf Scharping (vor oder nachdem er Bundeskanzler wurde?) und Kurt Beck dürfen sich jährlich über ein Deputat vom Mittelrhein freuen. Bald, hofft Bürgermeister Bersch, wird auch Papst Franziskus Ehrenwinzer von Boppard. 1984 hat der Argentinier drei Monate in Boppard gewohnt, Deutsch gelernt, Wein getrunken. Bei eine der letzten Papstaudienz verkündete der Papst in flüssigem (!) Deutsch: „In Boppard wächst guter Wein“. Die Bopparder haben eben den Papst in der Tasche. Und wenn Papst Franziskus Ehrenwinzer wird, könnte er auch mal den Mittelrhein-Klettersteig testen. Ohne Klettergurt, denn Päpste sind unfehlbar und damit auch trittsicher.
1 Comment
Das Lektorat merkt besserwisserisch an, dass es sich weder um eine Treppe noch um eine Leiter handelt, sondern um Trittbügel.
Seit ich mir das schöne österreichische Wort „Seilversicherung“ angewöhnt habe, schaut mich die deutsche Version ohne „ver“ immer ganz falsch an, aber es stimmt natürlich auch. Und absolut Deiner Meinung bin ich bezüglich der Karabiner-Lästigkeit. Ansonsten kann ich nur ganz plump sagen: „Toller Bericht, das ist ja wirklich eine schöne Gegend, da würde ich auch gerne mal wandern (Emmelshausen zählt nicht, weil es nicht am Rhein liegt)“!