Nix „Kölle Alaaf“. Wir rufen „Woasinge Ahoi!“. Nicht Köln am Rhein ist die deutsche Karnevalshochburg, sondern Wasungen an der Werra. Warum? Weil in Thüringen der komplette Ort karnevalsverrückt ist. Da gibt es keine Karnevalsflüchtlinge, die wie in Köln vor den Horden besoffener Menschen aus dem Allgäu, der Eifel und dem Westerwald das Weite suchen. Nein, in der deutschen Fastnachtsstadt Nummer Eins sind alle 3.500 Ureinwohner beim Karneval dabei.
Auf einer kombinierten Kanu- und Fußwanderung an der Werra von Meiningen nach Wasungen habe ich die thüringische Karnevalsenklave entdeckt. Schon verrückt: Auch die Tradition spricht im nationalen Narrenhochburgen-Vergleich für Wasungen. 2018 wird schon das 483. Wasunger Karnevalsfest gefeiert. Zum Vergleich: Den Kölner Rosenmontagszug gibt es erst seit 1823. Und so einen schönen Karnevalsorden wie in Wasungen gibt es auch in keiner anderen deutschen Fastnachtshochburg.
Jedes Jahr wird mit großem Brimbamborium der „Größte Lüchesoack“ – also der größte Lügensack – ausgezeichnet. Das scheint in Wasungen eine große Ehre zu sein. Diesen Titel kann man auch mehrmals holen, ein gewisser Herbert Dreißigacker schaffte in den Fünfzigern einen Hattrick in drei Jahren hintereinander.
Das Wasunger Motto 2018 ist: „Ganz Woasinge steht Kopf“. 2016 hieß das Motto: „Mie falle ümmer uff“, das hört sich schon fast rheinisch an. Und 2003 war das Motto: „Es is rüü bi nüü“. Da braucht man wirklich einen Übersetzer, keine Ahnung, was das heißen soll. Und warum heißt der närrische Schlachtruf „Woasinge“ ahoi? Weil früher die Flößer auf der Werra zum Stadtbild gehörten, die maritime Tradition hat sich mitten in Thüringen erhalten.
Falls ich demnächst in Wasungen mitfeiere, habe ich auch schon ein Kostüm. Ich gehe dann als wandernder Rohrbert…
2 Comments
Eine knifflige Aufgabe für Chefkommentatoren… Der Karnevalsorden mit den NRW-Landesfarben als augenzwinkernder Gruß an den Rhein? Ist ganz ok, spannender finde ich aber den Wander- bzw. Pilger-Aspekt, dass nämlich dieser Karneval in den 80ern sehr beliebt bei Bluesern und Hippies war, die dafür sogar stundenlange Lauferei in Kauf genommen haben: https://www.mdr.de/damals/archiv/artikel93224.html
Interessant. Und ich dachte zunächst an eine Fortsetzung der Fürth-Saga, weil erst „Krawall auf der Kerrwa“ gelesen.