Ich stehe auf dem Buchschirm, das ist eine Bergkuppe, keine Pilzart. Herrliche Luft auf einer Höhe von 746 Metern. Die Herbstsonne scheint, und ich habe eine geniale Übersicht über das schönste Mittelgebirge im Herzen von Deutschland – die Rhön.
Diese Fernblicke, diese offene Landschaft, das ist das Alleinstellungsmerkmal der Rhön. Und diese Blicke lassen das Herz jedes Wanderers tanzen, das Schweifen in die Ferne macht jeden Wanderer glücklich. Doch gehen wir zurück zum Anfang der Wanderung.
Vorgestern, um 10:00 Uhr. Bürgermeister Hubert Blum strahlt über das ganze Gesicht, denn es gibt etwas zu Feiern und die Sonne lacht über seiner Gemeinde (nicht über seine Gemeinde): Vor genau 10 Jahren entstand in Hilders der erste Premiumweg der hessischen Rhön: Die Extratour Hilderser ist 10 Jahre alt, noch nicht ganz in der Pubertät, aber schon aus dem Gröbsten heraus.
In den Zeitungen der Region war der Besuch eines „Wanderpapstes“ angekündigt worden. Nach intensiven Portrait-Foto-Vergleichen stelle ich fest, dass anscheinend ich gemeint bin. Da man in Hilders sehr katholisch geprägt ist, haben einige Mitwanderer Bedenken wegen der Bezeichnung „Papst“. Ich muss den Bedenkenträgern hundert Prozent recht geben, und widerrufe an Ort und Stelle alle Wanderpapst-Ambitionen. Fortan könne man mich gerne – in aller Bescheidenheit – Wander-König oder auch Wander-Meister nennen.
Der Weg startet unmittelbar vor dem Rathaus, das ist praktisch für Bürgermeister Blum, da kann er direkt von seinem Amtszimmer losstiefeln. Wir folgen der Markierung mit dem roten „H“.
Das „H“ steht nicht nur für Hilderser, sondern auch für Höhenluft. Denn schon bald geht es sehr steil hinauf. Auf einem Kreuzweg. Eigentlich logisch, dass man bei einem Kreuzweg ein wenig leiden muss, das gehört nun mal zum Programm. Auf Steintreppen erreichen wir am Ende der Kreuzwegstationen das Golgatha von Hilders – die Battensteinkapelle.
Ins Gespräch mit zwei Mitwandern vertieft merke ich ungefähr 500 Meter hinter der Kapelle, dass etwas nicht stimmen kann – keine rotes „H“ mehr zu sehen, wir drei haben uns verlaufen. Das treibt mir die Schamesröte in’s Gesicht: Auf einem Premiumweg verlaufen, das ist ja der totale Wander-Super-Gau. Das wäre einem richtigen Wanderpapst niemals passiert, gut dass ich den Titel eben abgelegt habe. Schnell haben wir aber auf den rechten Weg gefunden. Wir treten aus dem Wald und wandern schon bald durch die offenen Landschaften oberhalb von Hilders.
Dank des Rhönschafs und der vielen Rhön-Kühe gibt es in der Region ausreichend Weideflächen, um nachhaltig die Landschaft frei zu halten. Auf einem unbarmherzigen Grasweg zwischen den Weidenflächen gehen wir einige hundert Meter bergan, da muss man schon Kondition haben. Am Vorabend war ich mit meinem Kumpel – dem Rhön/Fulda/Vogelsberg-Bundestagsabgeordneten Michael Brand – in der Rhön um die Häuser gezogen.
Zuerst hatten wir im Spitzenrestaurant „Landhaus Kehl“ (14 Punkte beim Gault-Millau!) mit Apfel-Sekt-Aperitiv, Rhöner Bier, Lammbratwürstchen und einem Schnaps vorgeglüht. Chef Dieter Kehl (und stolzer Vater von Koch-Genie Benjamin und Fußball-Genie Sebastian, ja genau, der Kicker von Freiburg und dem BVB) nahm sich sogar Zeit, mit uns kurz anzustoßen. Dann ging es drei Dörfer weiter zu Jürgen Krenzer, dem Rhöner Schaf-und-Apfel-Papst.
Die große Lammplatte haben wir zwar nicht ganz geschafft, aber die drei Sorten Rhöner Biere (eines davon braut Krenzer selber) und den Krenzerschen Apfel-Sherry haben wir natürlich getestet. Weshalb ich das erzähle? Weil sich einige Spurenelemente dieser Alkoholika beim Aufstieg hinauf zum Buchschirm deutlich bemerkbar machen. Aber der Lohn der Mühen ist der grandiose 360-Grad-Panorama-Blick, den ich – wie oben beschrieben – am Gipfelkreuz des Buchschirms genieße.
Aber auch beim Weg hinab vom Buchschirm gibt es immer neue Blickachsen zum Niederknien. Apropos Niederknien, auf einem matschigen Weg verliere ich nicht nur die Contenance, sondern auch den Halt und lege einen zirkusreife Rutschpartie hin. Erst hat sich der ehemalige Wanderpapst verlaufen und nun auf die Schnauze gelegt. Was kommt da bitte schön als nächstes? Frontal gegen einen Wegweiser-Pfosten laufen? Wir gehen durch schöne Herbstwälder und genießen das wunderbare Geräusch von trockenem Raschel-Laub.
Unser Wanderführer vom NABU-Ortsverein schaut genau hin in’s braun-gelbe Laub und entdeckt tatsächlich eine schlammbraune Erdkröte. Keiner der Mitwanderer wagt den Prinzen-Kuss-Test und so muss die Kröte weiter Kröte bleiben. Aber immerhin ist keiner auf sie drauf gelatscht.
Oberhalb der Ortschaft Simmershausen (Simmershausen und Hilders lieben sich so wie Köln/Düsseldorf, Frankfurt/Offenbach oder Nordkorea/Südkorea) wandern wir an der Rhönklub-Hütte der Orstgruppe Simmershausen vorbei.
Die nächste Veranstaltung in der Wanderhütte sollte man sich schon mal vormerken: Fronleichnam 2018 wird ab 12:00 gegrillt!
Die mächtigen Mauern der Auersburg laden zu einer kurzen Verschnaufpause ein und der Eckturm zu erneuten Blicken über die Rhön. Hinter der Auersburg geht es bergab und wir erreichen einen weiteren Höhepunkt. Auf schmalen Pfaden geht es durch die Ritterschlucht. Einige hundert Meter später ist schon der Kirchturm von Hilders zu sehen, an dem man sich gut orientieren kann.
Beim Belohnungsbier vor dem Rathaus ziehe ich mit Bürgermeister Blum und einigen neuen Wanderfreunden ein Fazit. Der Hilderser ist ein wunderbarer, extrem abwechslungsreicher Premiumweg mit vielen Highlights. Gastronomie am Weg wäre noch ein I-Tüpfelchen (Herr Kehl oder Herr Krenzer, übernehmen Sie!), ist aber kein Muss, da es am Ziel ausreichend Einkehrmöglichkeiten in Hilders gibt. Auf jeden Fall bekommt man auf dem Hilderser einen guten Eindruck von der Schönheit der Rhön. Das wäre doch mal ein Werbeclaim: „In der Rhön – einfach schön!“ Spätestens nach der Wanderung auf dem Hilderser bin ich davon überzeugt, dass die Rhön in der Champions League der deutschen Mittelgebirge mitspielt. Ich freue mich schon auf die nächste Rhöner Wandertour. Euer ehemaliger Wanderpapst!
5 Comments
Und scho widder a herrliche Wandergegend, sogar ein ganzes Mittelgebirge, das teils sogar Franken abdeckt, in dem Hintermstoaner noch nie wandern war.. demütigend.. den FCN-Trail in Bischofsheim kenn‘ ich auch noch nicht. Aber ob der sich wirklich lohnt?
Länge: 5 km [kann man gerade noch so als Wanderung definieren]
Dauer: 1,5 h [90 Minuten, passt subber]
Markierung: Blauer Pfeil [wieso BLAU???]
Oberflächenbeschaffenheit: 53 % Asphalt, 45 % Schotter, 2 % Waldweg [entspricht in etwa der durchschnittlichen Club-Historie]
Naja, muss ich halt doch mal bei einem der nächsten Heimatbesuche dem ICE-Lokführer Bescheid geben, hinter Fulda mal kurz rechts ran zu fahren.
Auf einem Premiumweg verlaufen, im Matsch auf die Fresse gelegt, Restalkohol-Problem in einer Gegend, die an die Villanderer Alm in Südtirol erinnert… „Als wär’s ein Stück von mir“ (Carl Zuckmayer)! Weil das so ist, und weil ich gelernt habe, dass Suchmaschinen eine Art Wanderwege-Netz sind, erlaube ich mir, hier einen kleinen Wegweiser aufzustellen (Obacht, nicht gegen den Pfosten laufen!): https://peterrusamblog.wordpress.com/ – Kreuzweg ist gut, nach der Begehung eines solchen ging es mit dem Club bergauf, ab jetzt sammelt der FC Punkte ohne Ende!
Bzgl. Rücktritt vom Papstsein: Respekt, das muss man sich erst mal trauen!
Gab es aber laut Netz offenbar schon mal:
„Schöffel war der Wander-Papst“
Die meisten Wanderpäpste aber kleben weiterhin am Amt:
„Franz Tennert bleibt der Wanderpapst“
„Wanderpapst Rainer Brämer“
„Wanderpapst [..] Heini Gienzendanner“
„der Schweizer Wanderpapst Thomas Widmer“
„der Wander-Papst [..] Erhard Ruff“
„Manfred Lietze [..] der Klötzer Wanderpapst“
„Der Wanderpapst auf Inspektionstour [..] Deutscher Wanderverband zu Gast“ (hä? ein Verband als Papst? ach so: ‚Wir sind Wanderpapst‘, logisch..)
Papst Papst Papst Papst – auch eines dieser Wörter, die um so komischer klingen, je öfter man sie nennt.
Für jeden rechtschaffenen Protestanten klingt „Papst“ komisch und in der Wiederholung wie „Punk“. Hat auch was!
Hallo Manuel,
wir sind auch immer wieder in der Rhön zum wandern. Dein Beitrag war sehr interessant zu lesen und informativ. Liebe Grüße aus Bad Kissingen Jennifer, http://www.apartment-badkissingen.de