Letzten Samstag bin ich mit einer Gruppe gewandert – in der Nähe von Baden-Baden – denen ich das Prinzip des Premium- und Qualitätswege-Wamderns erklärt habe. Das mache ich sehr gerne, ich war nur mal wieder erstaunt, dass keiner, aber auch wirklich keiner der Wanderer/innnen jemals davon gehört hatte. Alles Wander-affine Leute, sehr erstaunlich. Farin Urlaub hat mal gedichtet: Mit einem eiskalten Getränk am Strand, da wird man leicht arrogant. So oder so ähnlich. Und wenn man wanderbegeisterten Leuten des Prinzip „Premium“ erklärt, hat man leicht das Gefühl: Mensch, ich weiß alles zum Thema Wandern. Doch das ist: FALSCH!
Vor einigen Tagen durfte ich ein Veranstaltung des Bundesumweltministeriums in Berlin moderieren. Titel: Dialogforum 2017: Sport – Impulsgeber für eine nachhaltige Gesellschaft. Hört sich leicht dröge an, war es aber überhaupt nicht. Zunächst mal muss man einfach mal sagen: Ja, auch die Wanderer sind Sportler, im Jargon der Nachhaltigkeit sind wir „Natursportler“, die unter Umständen mit den Naturräumen wie Wald, Feld und Wiesen nicht nur in Kontakt, sondern auch in Konflikt kommen.
Aber ich wollte ja erzählen, was ich Neues über die Welt es Wanderns gelernt habe…
Die Sporthochschule Köln wendet spannende Methoden an, um die sogenannten „Aufmerksamkeitspunkte“ von Wanderern zu fixieren. Keine Umfrage, sondern wirklich Fakten, gemessen mit GPS und VEB oder meinetwegen auch VEP. Vielleicht kommt ja dabei heraus, dass alle Wanderer doch heimlich nach Kraftwerken schielen, weil sie die so schön finden. Außerdem wollen die Sporthochschüler Wanderbewegungen messen: Per Drohne und Lichtschranken. Nichts bleibt unbemerkt!
Eine wirklich ganz erstaunliche Studie kam ebenfalls von der Sporthochschule Köln.
Man muss wohl Abschied von der Vorstellung nehmen, Bewegung und Sport an sich sei gesund. NEIN! Wer in Großstädten joggt, wandert und skated, hat den Sensenmann quasi schon im Gepäck. In Großstädten sollte man in’s Kino gehen, arbeiten, in Kneipen versumpfen, aber keinen Sport machen, sonst, sonst, sonst, Demenz und alles ganz schlimm. Bitte geht zum Wandern in die Wälder, Stadtwandern macht blöde!
Und dann sind da noch die 33 %. Erst mal schön, so ein Ergebnis einer anderen Studie, dass für sportliche Betätigungen 77,6 Milliarden Euro jährlich in Deutschland ausgegeben werden. Chapeau! Aber genau 33%, also ein Drittel, fließt von diesem Geld in die Mobilität. Also in Sprit und Tickets, um zum Sport zu kommen. Das ist doch der Hammer. Da kann man nur sagen: man sollte mehr dort wandern, wo man wohnt, um Mobilitätskosten zu sparen. ABER DAS GILT NICHT FÜR STÄDTER!!! WEGEN DER DEMENZ!!!
Das Wanderleben ist sehr kompliziert.
2 Comments
Na toll. Da stellt man erst kürzlich fest, auf einer regelmäßigen Strecke quer durch Hamburg der komplizierten ÖPNV-Verbindung elegant zu Fuß entgehen zu können (90% direkt an Wasser! Nur max. 20 Min. länger als mit Bus und Bahn!), beschließt „das mach‘ ich ab jetzt regelmäßig“ und genau dann kommt ausgerechnet der Andrack daher mit „Stadtwandern macht blöde“.. Egal: die schönen 7 km an der Tarpenbek (Bach), Alster (Fluss) und Alster (See) mit Alster (hernach) lässt sich Hintermstoaner nicht wieder nehmen!
Letzten Sonntag bin ich ohne eine Gruppe gewandert – von Haan nach Solingen – und habe niemandem was erklären müssen. Das war schön! Teilweise Neanderlandsteig, teilweise klassische „X“-Wege, einfach so. In Konflikt kam ich allenfalls mit Mountainbikern, aber sogar die waren ausnahmsweise sehr nett.
Kein GPS, kein Hitech, eine lumpige alte analoge Wanderkarte, 3einhalb Stunden Latscherei ohne Wissenschaft und gut war.
Wer mit SUV zu Sport und Demenz in der Stadt fahren will, möge das tun, ich fahre lieber mit ÖPNV ins Bergische Land, sehe an abgelegenen Waldpfaden Reiher und Enten starten und behaupte, dass das Wanderleben soo kompliziert gar nicht ist. Außer man verläuft sich, aber dann kann man das lustige Kompass-wo-bin-ich-Spiel spielen.
Beim Umsteigen in Gruiten sah ich übrigens ein Trafo-Häuschen, das gewisse Erinnerungen an Crailsheimer Landbier und päpstliches Gelächter weckte…