Vorgestern blätterte ich im Feuilleton der FAZ und blieb an dieser Überschrift hängen:
„Wandern ist eine gute Möglichkeit, zu denken“. Genau, das sage ich doch schon seit Jahrzehnten. Von wegen den Kopf LEER wandern, man wandert ihn VOLL, denn wie die griechischen Philosophen in ihren Wandelhallen philosophierten, so kann man auch beim Wandern durch Wald und Flur auf die tollsten Ideen kommt. Findet auch „Wanderkünstler“ Richard Long, der kürzlich seinen siebzigsten Geburtstag feierte. „Wanderkünstler“, tolle Berufsbezeichung. Ich dachte immer, „Wanderkünstler“ seien die Leute, die mit der Staffelei unter dem Arm durch die Fußgängerzonen der Republik ziehen und dort wehrlose Kinder proträtieren. Oder sind „Wanderkünstler“ die Künstler, die auch gerne wandern, so wie Markazero??? Nein, es gibt wohl waschechte „Wanderkünstler“ wie eben Richard Long, der, nomen est omen, ganz schön lange Strecken für seine Wanderkunstskulpturen gegangen ist. Zum Beispiel ist er mal 1.000 Meilen in 1.000 Stunden gewandert. Und er ist dabei nicht auf Wanderwegen unterwegs gewesen, sondern auf einem von ihm vorbestimmten Muster. Aber bitte schön Herr Long, 1.000 Meilen in 1.000 Stunden, was ist denn das für eine WDG (Wanderdurchschnittsgeschwindigkeit)? Da fallen einem ja die Füße ab vor Langeweile.
Apropos Füße: Noch eine Frage Herr Long: Wenn sie doch so gerne wandernd Kunst machen, wieso tragen Sie dann auf dem Foto in der FAZ ein T-Shirt mit einer Hand drauf? Das hat meines Erachtens weder Hand noch Fuß.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag nachträglich, lieber Wanderkünstler Richard
15 Comments
„Wandern als geistiger Vorgang“ ist der Titel meines noch nicht geschriebenen Essays zum Thema! Darin arbeite ich mich u.a. an der Denk-Frage ab, weil die ist sehr interessant: Zunächst ist der Kopf voll mit Gedanken, während des Gehens kommen sogar Ideen hinzu, aber ab Stunde 4 oder 5 verebben diese, der Kopf wird leerer und leerer, um Stunde 7 herum ist schließlich ein Yoga-artiger Zustand von purem „Sein“ erreicht, der, wenn man nach 9 Stunden schmerzgeplagt vom Biergarten zum Klo humpelt, wieder zum Denken führt, nämlich zu der Frage „Warum mache ich diesen Quatsch“?
Wanderkünstler, hm, wo ich schon direkt angesprochen werde, hm hm… nee, nein, eher nicht. Zwar verbindet mich mit Long die Vorliebe für selbst gebastelte Wander-Muster („Konzeptwandern“ Hilfsbegriff), aber ansonsten ist für Markazero Wandern Wandern und Malen Malen. Andererseits sind, im Sinne von Ludwig Hohl, Kunst und Leben ein und dasselbe… herrje… Alternativ-Titel des Essays: „Wandern – eine Ver(w)irrung“. Verwirrend wie Richie’s T-Shirt, aber der ist Engländer, die sind halt so (vgl. Monty Python, „Ministry of Silly Walks“).
Noch jemand hat sich hierzu mal etwas gehend erdacht (sicher auf seinem Standardrundweg um das Dorf Ruhsam herum):
„[…] Gehen wir intensiver, läßt unser Denken nach, sagt Oehler, denken wir intensiver, unser Gehen. Andererseits müssen wir gehen, um denken zu können, sagt Oehler, wie wir denken müssen, um gehen zu können, eines aus dem andern und eines aus dem andern mit einer immer noch größeren Kunstfertigkeit. Aber alles immer nur bis zu dem Grade der Erschöpfung. […] Wir können auch ohne weiteres sagen, daß es uns oft gelingt, gleichmäßig zu gehen und gleichmäßig zu denken, aber diese Kunst ist offensichtlich die allerschwierigste und die am wenigsten zu beherrschende. […]“
(Thomas Bernhard in „Gehen“, 1971)
Hier!! Ich bin ein Wanderkünstler, denn immer, wenn mir nichts mehr einfällt, fahre ich ins Allgäu (zum glück nur 80 km)und nach spätestens 2 Stunden in der Natur, mit mir selbst, sprudeln neue Ideen in meinen Kopf. Wieder zuhause, wird sofort umgesetzt und es wird schwierig, mich die nächste Woche wieder vom Notebook wegzubringen… bis zum nächsten Trip.
LG Marcus
Ich denke beim Wandern auch immer ganz unfassbar schlaue Dinge und bin von mir selbst massivst beeindruckt…aber meistens versickern die intellektuellen Gedanken dann mit dem Duschwasser im Ausguß, bevor ich sie aufschreiben kann – und mit Diktiergerät durch den Wald latschen mag ich nicht 😉
Frage mich gerade, was es mit der angekündigten „Taufe in der Düssel“ auf sich hat (und wie das mit dem Themenpomplex „Gehen und Denken“ zusammenhängen könnte). Jedenfalls: Hat sich das der Kölner auch wirklich gut überlegt?? Kann man das machen? Aus dem Schatten des Doms heraustreten, um sich in der Düssel.. also allein das Risiko.. ich kenn‘ da den ein oder anderen Düsseldorfer, der das dann bei jeder Gelegenheit zum Anlass nehmen könnte.. naja.. soll nicht meine Sorge sein..
Ein Jammer, dass ich da keine Zeit habe! Mit Kumpels hinfahren, während der Zeremonie ein fröhliches „For-tuu-naa!!!“ schmettern, einen F95-Wimpel und ein Fass „Uerige“ überreichen, sein betretenes (nach 82 km eh zerzaustes) Gesicht fotografieren, dieses dann in sämtlichen FC-Foren verbreiten – herrlich, dat wör Punk, Stargast natürlich Campino! Aber Kommando zurück: Düdo wird z.Zt. zu einer Filiale von der Westvorstadt (Greuther Fürth) umgebaut, ich brächte die Demütigung also sowieso nicht übers Herz, zumal bei einer so schönen Aktion zur Völkerverständigung. Peace!
Angesichts der Völkerverständigung:
„der Wanderdiplomat“ wäre doch auch mal eine schöne Titulierung!
Klingt zu sehr nach Opel Diplomat (breites Fahrgestell, großer Durst) – geht gar nicht.
Nein, da sage ich jetzt NICHTS dazu!! — obwohl, doch:
„Der .. Diplomat war das Spitzenmodell in der Oberklasse .. wurde zwischen Frühjahr 1964 und Sommer 1977 gebaut .. und bot eine nochmals gesteigerte Ausstattung.“
Also, ich meine, das ist doch was!
Kinners, würde Käptn Blaubär sagen, Kinners, nu beruhigt Euch doch mal. Erstens: Danke für die geistreichen Gehen/Denken-Apercus (Th. Bernhardt und Co., herzlichen Dank). Zweitens: Wenn ich in der Düssel getauft werde, habe ich erst ungefähr 48 Kilometer in den Beinen, das geht ihr doch normalerweise schon vor dem Frühstück. Drittens: Was genau hat das Dorf Gruiten, in dem die Düssel-Taufe stattfinden soll, mit dem Dorf an der Düssel am Hut. Wird da Altbier gebraut? Wohnt da Campino? Spielt dort die Fortuna? Na also. Gönnt mir doch die entspannte Planscherei
In Gruiten kenn ich ein super Trafo-Häuschen (Hinterseite Bhf.), falls die Taufe nicht nur äußerlich, sondern auch inwendig sich, äh, veräußern will… So oder so: gut Plantsch!
Ich stimme voll und ganz zu! Beim Wandern kommen mir immer die absolut besten Ideen! Nicht nur für Blogposts sondern auch Ideen für jegliche andere Lebensbereiche! Businessideen, Kochideen, Buchideen… die Liste geht endlos lang weiter!
Und genau das ist einer der Gründe, warum ich so gerne Wandern gehe! Es gibt mir neue Inspiration und hat mich schon oft Lösungen für, scheinbar unlösbare Probleme beschert!
Toller Artikel. Ich bin immer wieder fasziniert von Leuten, die beim Wandern auf unglaubliche Ideen kommen ;). Ich glaube, dass ich das auch mal ausprobieren sollte. Grüße aus Innichen
1000 Meilen in 1000 Stunden?! Das ist unglaublich. Respekt! LG aus dem Dorf Tirol Hotel
Sehr beeindruckender Blog. Ich verfolge Ihre Artikel schon seit längerem und finde dadurch immer wieder neue Orte, die ich auch unbedingt bewandern möchte. Weiter so 🙂