“Der Wanderer flüchtet fast schon”, dies war die Überschrift eines Interviews in der FAS von gestern. Ich war in höchstem Maße erstaunt und stellte Mutmassungen an, vor wem ein Wanderer flüchten möchte. Vor Mountainbikern? Vor Nordic Walkern? Vor Pilgern? Na ja, so schlimm sind die doch alle gar nicht. Nerven ein wenig, aber muss man direkt flüchten? Mit zittrigen Händen nahm ich die FAS zur Brust und vertiefte mich in das Wortlautinterview. Ein Herr Weisshaar wurde interviewt, seines Zeichens Spaziergangsforscher, Promenadologe. Was sich wie ein Aprilscherz anhört, wurde tatsächlich vor Jahren an der Gesamthochschule Kassel gelehrt.
Nun, Herr Weisshaupt weiß also wovon er spricht und erklärte in der FAS den Unterschied zwischen Spazierengehen und Wandern wie folgt: “Der Wanderer läuft meist durch die Landschaft. Im Idealfall verlässt er sein Zuhause für ein paar Tage, flüchtet fast schon. So wie Wolfgang Büscher, der von Berlin nach Moskau gelaufen ist. (…) Ein Spaziergänger hingegen ist nur für ein paar Stunden draußen unterwegs und bleibt seinem städtischen Zuhause verhaftet.”
Seit ich das gelesen habe, bin ich sehr sehr traurig. Dachte ich doch immer, ein ordentlicher Wanderer zu sein. Aber ich bin NUR ein Spaziergänger, denn meistens bin ich auf irgendwelchen Premiumwegen nur wenige Stunden unterwegs, und das ist nun mal, weiß ich seit gestern, definitiv nicht Wandern. Berlin – Moskau bin ich natürlich auch noch nicht weggewandert, das Urteil ist klar: Ich bin kein Wanderer. Na ja, wenn man die Strecke Berlin – Moskau zum Wanderer-Maßstab nimmt, ist wahrscheinlich seit den 40er Jahren überhaupt gar nicht mehr so viel gewandert worden. Sei’s drum, ich konnte mich sowieso direkt mit den beiden Spaziergängern identifizieren, die auf dem Foto zum Interview abgebildet waren. Es heißt ab heute für mich: Ade Wandern, Hallo Spaziergehen, und sie lesen auch gerade einen Spaziergängerblog. Ich bin sehr sehr traurig.